Die Tiahuanaco- und Huari-Kultur

Während der Zeit des mittleren Horizontes erstarkten zwei Kulturen oder Reiche, die die Kleinstaaten Perus einten, Tiahuanaco und Huari.


Landkarte: Ausbreitung der Tiahuanaco- und Huari-Kultur (35 kB)

Tiahuanaco (auch Tiwanaku oder Tiawanako geschrieben) war von 1500 v. Chr. bis 1200 n. Chr. bewohnt. Ab dem 6. Jahrhundert entwickelte sich Tiahuanaco zum Mittelpunkt eines Reiches, das seinen religiösen und kulturellen Einfluß auch auf benachbarte und weiter entfernte Zentren ausdehnte. Zwischen 600 - 1000 n. Chr. erlebte diese Kultur ihren Höhepunkt und der Kult des Zeptergottes seine größte Verbreitung. Höchstwahrscheinlich war dieser Kult von Chavín de Huántar nach Tiahuanaco gelangt. In der Zeit der größten Ausdehnung hatte Tiahuanaco Einfluß bis in den äußersten Süden Perus und bis ins nordchilenische Atacamagebiet. Im Südosten reichte der Einfluß bis zur Halbinsel Cochabamba und bis nach Nordwest-Argentinien.

Man kann noch nicht sagen, ob diese Ausdehnung einen kriegerischen Hintergrund hatte oder ob die Verbreitung der Religion und der damit zusammenhängenden Kultur die Völker einte.

Sonnentor
Das Sonnentor in Tiahuanaco (19 kB)


Detail vom Sonnentor: Zeptergott (42 kB)

Das Zeremonialzentrum Tiahuanaco lag früher einmal direkt am Titicacasee in einer Höhe von fast 4000 m über dem Meer. Im Laufe der Zeit ist der See geschrumpft, so daß Tiahuanaco heute ca. 20 Kilometer entfernt vom See liegt. Der Altiplano, der sich von Bolivien bis ins südliche Peru erstreckt, liegt über der Baumgrenze und erweckt so den Eindruck einer menschenfeindlichen Landschaft. Aber das Gegenteil ist der Fall, dies ist die größte landwirschaftlich nutzbare Fläche des Andengebietes.

Halbunterirdischer Tempel
Halbunterirdischer Tempel (39 kB)

Nagelkopf
Nagelkopf (37 kB)

Anhand der dort ausgegrabenen Keramik gelang es die Geschichte der Stätte in mehrere chronologische Phasen zu unterteilen, die zwischen 100 v. Chr. und 1000 n. Chr. liegen. Es war aber noch nicht möglich, die dortigen Bauten zeitlich einzuordnen. Man nimmt an, daß sie um 200 erbaut und um 500 erneuert und erweitert wurden. Auch die Erbauer dieser Stadt sind unbekannt, genauso wie die Gründe warum sie so viele große Gebäude errichteten, für die man Basaltsteine aus dem ca. 300 km entfernten Steinbruch anschleppen mußte.


Keramik der Tiahuanaco-Kultur (26 kB)


Keramik der Tiahuanaco-Kultur (37 kB)

Viele Gebäude und Bilder in Tiahuanaco erinnern an Chavín de Huántar. So fand man beispielsweise auf dem berühmten Sonnentor ein Fries mit einer Gottheit, die zwei Schlangenzepter in den Händen hält. Dieses Motiv kann man auch auf der Raimondi-Stele aus Chavín de Huántar finden. Vielleicht wurde diese Stätte als Wallfahrtsort und religiöses Heiligtum erbaut, als man Chavín de Huántar aufgab. Meist stand dieser Zeptergott auf einer Stufenplattform und wurde frontal dargestellt. In beiden Händen trägt er Stäbe oder andere Gegenstände von symbolischer Bedeutung. Das maskenhaft dargestellte Gesicht wird von einem strahlenförmigen Kopfputz eingerahmt und meistens trägt er eine Art Tunika mit einem Gürtel und einem Rock.

Die zweite Kultur, die Peru einte, war die Huari-Kultur (manchmal auch Wari geschrieben). Sie war eindeutig militaristisch ausgerichtet und unterwarf völlig unerwartet um 600 n. Chr. die Nazca, Mochica und andere kleinere Zentren bis sich das Reich von Chancay an der Küste bis zum Callejón de Huaylas im Hochland ausdehnte. Den Unterworfenen wurden die künstlerischen Ausdrucksformen und das Wirtschaftssystem der Huari aufgedrückt, so daß sie ihre eigenen Traditionen völlig verloren.


Gefäß der Huari-Kultur (33 kB)

Das Zentrum dieser neuen Kultur war vermutlich die Stadt Huari. Von dort aus unterwarf ein gut organisiertes Heer die anderen Völker.

In dieser Zeit entstanden die ersten richtigen Städte in Peru, die von Verteidigungsmauern umgeben waren. Diese Städte waren schachbrettartig angelegt und entstanden um ältere Orte, in der Nähe von Zeremonialplätzen.

Mit der Verbreitung der Huari-Kultur wurde auch ein neuer Gott hervorgebracht, der eine herausragende Rolle in Peru spielen sollte: Viracocha, der Schöpfergott. Dieser Kult überlagerte bald alle anderen Kulte, die in den vorangegangenen Jahrhunderten aufgekommen waren. Viracocha hat viel Ähnlichkeit mit dem Zeptergott Tiahuanacos, so daß man annehmen kann, das es eine sehr enge Verbindung zwischen diesen zwei Machtzentren gab. Bisher konnte aber noch nicht geklärt werden, welche Natur diese Verbindung hatte. Hatte sie mehr einen politischen, militärischen, religiösen oder wirtschaftlichen Hintergrund und welches der beiden Machtzentren dominierte? Das sind alles Fragen, die noch beantwortet werden müssen. Man nimmt an, daß die Bildmotive eventuell von einem dritten Zentrum übernommen wurden, das die Chavín-Kultur bewahrte und weiterentwickelte.

Um das 10. Jahrhundert hatte man fast alle Zentren der Huari aufgegeben. Man kann nur sagen, daß wahrscheinlich eine Krise zum Untergang dieser Kultur führte. Die Art der Krise ist leider noch nicht bekannt.

Auf alle Fälle beeinflußten diesen beiden Kulturen im entscheidenden Maße alle nachfolgenden, insbesondere auch die Inka-Kultur. Mit dem Untergang der Tiahuanaco- und Huari-Kultur verlor sich auch der einende Einfluß und die Andenwelt spaltete sich wieder in regionale Reiche auf.

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