Insgesamt war ich vom Zugfahren in Amerika doch etwas enttäuscht. Das habe ich mir doch spannender vorgestellt. Das waren alles Züge, die unseren D-Zügen ähneln. In der Woche war meist nicht viel los, aber zum Wochenende waren die Züge gut gefüllt. Die meisten Züge muß man reservieren, aber man bekommt keine Platzkarte. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ein Zug mal überfüllt ist. Diese Züge hießen "Reserved" Züge, dann gab es noch die "Unreserved" Züge. Ich dachte, ich hätte das mit den Reserved- und Unreserved-Zügen kapiert: Regional-Züge sind Unreserved und alle Züge mit einem Namen sind reserved. Das stimmte so leider nicht. Es gab auch Regional-Züge, die reserved waren. Leider erkennt man das so gut wie gar nicht. Manchmal scheint in einigen Bahnhöfen an der Anzeigetafel die Beschriftung "Regional -- R" drauf hinzuweisen. Aus den Faltblättchen mit den Abfahrtzeiten konnte ich diese Informationen auch nicht rauslesen. Man muß es eben einfach wissen... woher auch immer.
Die Züge hatten sehr oft Verspätung. Da die Passagiere auf den meisten Bahnhöfen nicht direkt am Bahnsteig warten durften, sondern der Bahnsteig erst betreten wurde, nachdem der Zug eingefahren ist, hat sich durch die längere Einsteigeprozedur der Aufenthalt der Züge am Bahnhof auch verlängert, so dass ein Aufholen der Verspätung fast unmöglich war. Wenn der Bahnsteig sehr niedrig war und an den Zügen Treppen per Hand ausgeklappt werden mussten, dann waren unter Umständen sogar nur zwei Türen an einem langen Zug auf, wo man einsteigen konnte. In Richmond ist das beispielsweise so passiert und da war die offene Tür am anderen Ende des Bahnsteiges.
Die ersten anderthalb Wochen bin ich an der Ostküste hin- und hergefahren. Die
Strecken New York <-->
New Haven, New York <-->
Philadelphia und New York
-->
Washington waren landschaftlich nicht sehr reizvoll. Meistens habe ich
runtergekommene Fabrikgebäude und alte kleine Häuser gesehen. Dagegen war die
Strecke Washington DC <-->
Richmond richtig spannend: urwüchsige
Landschaft mit kleinen Seen und Sümpfen dazwischen. Zurück bin ich dann leider
im dunkeln gefahren und konnte somit nicht mehr allzu viel sehen.
Beim Ausflug von Chicago nach Milwaukee hatte ich ja gehofft, am Michigan-See langzufahren. Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt. Man schaute nur auf endlose Felder, war aber auch ganz interessant. Auch die Fahrt von Chicago nach Detroit habe ich mir spannender vorgestellt. Das einzige Aufregende war, das das der erste Zug war in dem der Schaffner verboten hatte, am Platz zu essen. Aber daran hat sich niemand gehalten, insbesondere die später Eingestiegenen, die diese Durchsage überhaupt nicht gehört hatten. Überraschend war auch, das man in Detroit auf ziemlich freier Strecke auf einer Brücke ausgestiegen ist. Einen richtigen Bahnhof gab es nicht.
Auch die Bahnhofsgebäude waren sehr unterschiedlich und auch in großen, wichtigen Städten konnten sie klein bis fast gar nicht vorhanden sein. Wahrscheinlich war es abhängig davon, wieviele Züge pro Tag diesen Bahnhof anfuhren. In St. Louis und Detroit waren es augenscheinlich nicht sehr viele, denn die Bahnhofsgebäude waren kaum als solche zu erkennen. An der Ostküste dagegen, an der das Eisenbahnnetz sehr gut ausgebaut ist, waren die Bahnhöfe auch größer und beinhalteten auch mehr Infrastruktur (von Richmond mal abgesehen).
Da ich meine Fahrkarten schon in Berlin gekauft hatte, hatten diese für die Schaffner ein eher unübliches Format, da sie teilweise auch handgeschriebene Einträge enthielten. Die normalen Fahrkarten sahen eher aus wie Flugtickets und sie wurden entwertet, indem ein größerer Teil abgerissen wurde und man den kleineren behielt. Mit meinen Fahrkarten konnte man nicht so verfahren und es gab Schaffner, die diese Art von Fahrkarten noch nie gesehen hatten und damit auch etwas überfordert waren. Einige Schaffner haben sich erstmal durchgelesen, wo ich denn überall hinfahren möchte und ein kleines Schwätzchen begonnen und mir Tips gegeben. Eigentlich mussten die Schaffner bei meiner Fahrkarte nur den Zettel abreißen, manche haben stattdessen wild drauf rumgeknipst und damit eigentlich auch gleich die nachfolgenden Fahrkarten entwertet, die in diesem kleinem Heftchen darunter waren. Das hat aber niemanden gestört.
Sehr interessant fand ich das System, wie sich die Schaffner merkten, wo die Passagiere aussteigen mussten: Sie steckten kleine Zettel in eine Schiene an der Gepäckablage, die unterschiedlich gefaltet, eingerissen oder geknipst waren. Es spielte auch eine Rolle, wie der Papierschnipsel steckte und welche Farbe er hatte. Kurz vor dem Bahnhof ging der Schaffner dann durch den Zug und sagte jedem persönlich Bescheid, das er jetzt aussteigen muß.
< 26.-29. Tag: Boston |
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